~~ CHRISTLICH - SOZIALE POSITION ~~ ~~~ ~~~ INITIATIVE MENSCH & ARBEIT ~~~~~~~~~~~~~

Die negativen Auswirkungen der Globalisierung sind unübersehbar. Demokratische Entscheidungungen werden durch die Diktatur der Finanzmärkte ersetzt.

Heiner Geißler


Rheinischer Merkur, 22, 2007

"... Kapitalismus und Globalisierung werden zu Recht in einem Atemzug genannt. Zwar birgt die grenzenlose Verschmelzung von Märkten, Unternehmen und Informationsflüssen das Potenzial, die Spaltung der Menschheit in Arm und Reich zu überwinden. Doch die Chancen der Globalisierung drohen verloren zu gehen. Die negativen Auswirkungen der Globalisierung auf die Menschen sind nicht mehr zu übersehen. Demokratische Entscheidungen werden durch die Diktatur der internationalen Finanzmärkte ersetzt. Was ist schiefgelaufen? Hundert Millionen von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen in Europa und den USA und drei Milliarden Arme, die zusammen jährlich ein geringeres Einkommen haben, als die 400 reichsten Familien der Erde an Vermögen besitzen, sind geeint in der Angst vor der Zukunft, aber auch in der Wut, dem Abscheu und dem tiefen Mißtrauen gegenüber den politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten, die, ähnlich den Verantwortlichen in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus in die Industriegesellschaft, offenbar unfähig  sind, die unausweichliche Globalisierung human zu gestalten... (Foto Heiner Geißler: Martin Gerhardt)




Die Menschen werden zu Opfern einer Shareholder-Value-Ökonomie, die keine Werte kennt jenseits von Angebot und Nachfrage, die Spekulanten begünstigt und langfristige Investoren behindert. Die Staatsmänner der westliche Welt lassen sich von den multinationalen Konzernen erpressen und gegenander ausspielen: Verant- wortlich ist ein Meinungskartell von Ökonomen und Publizisten, die meinen, die menschliche Gesellschaft müssen funktionieren wie Daimler-Chrysler, und die sich beharrlich weigern, anzuerkennen, daß der Markt geordnet werden muß, auch glo- bal Regeln einzuhalten sind und Lohndumping die Qualität der Arbeit und der Pro- dukte zerstört. (Umarmung  Gerechtigkeit/Friede, Sammlung Strüve, Osnabrück)



Die Menschen spüren die Folgen einer Wahnidee, die schon in den Zwanzigerjahren die Weltwirtschaftskrise verursachte, nämlich des Irrglaubens, die Gesetze und Selbstheilungskräfte der Märkte würden alle Probleme von selber lösen. Richtig ist, daß es zum Markt und zum Wettbewerb grundsätzlich keine vernünftige Al- ternative gibt. Die globale Wirtschaft ist jedoch, wie John Samuelson, der bedeu- tendste amerikansiche Ökonom, feststellt, eine Welt der Anarchie, ohne Gesetz und soziale Übereinkünfte, in der die Privatwirtschaft eine entscheidende Rolle spielt, von der aber auch die Mafia, Drogendealer und Terroristen ebenso profitieren wie frühkapitalistische antidemokratische Systeme wie in China.



Kuß von Gerechtigkeit und Friede, unbekannter Meister, Antwerpen, 1580

Die heutige Weltwirtschaft stellt sich in den Augen der meisten Menschen dar als ein System, in dem Hiobsbotschaften  am Arbeitsmarkt Siegesbotschaften an der Börse bedeuten, als ein System, in dem der Börsenwert umso höher steigt, je mehr Leute wegrationalisiert werden. Ein solches Wirtschaftssystem wird als zutiefst unsittlich empfunden und ist auf die Dauer nicht konsensfähig. Notwendig ist eine internationale sozial-ökonomische Marktwirtschaft mit einer stärkeren Kontrolle der internationalen Finanzsysteme, die Schließung der Offshore-Centers, die Ein- führung einer internationalen Spekulationssteuer, die Beschränkung der europä- ischen und amerikanischen Agrarsubventionen, die beispielsweise Millionen von Afrikanern arbeitslos machen, und eine Reform der globalen Institutionen wie Weltbank, IWF und WTO, die der Nobelpreisträger Josef Stieglitz dafür verant-wortlich macht, daß die Globalisierung bisher schiefgelaufen ist. Ohne Achtung der Menschwürde und ohne solidarische Standards, die Lohnsklaverei, Ausbeutung, Kinderarbeit, Zerstörung der Natur verbieten und vehindern, ist auf die Dauer eine humane Weltwirtschaftsordnung und Weltfriedensordnung nicht möglich. Die Alternative ist Blutvergießen, Wirtschaftskrieg, Fundamentalismus und weltpo-litisches Chaos, die dann vor den Toren Europas auch nicht haltmachen werden. Sich für die humane Alernative zu entscheiden und endlich zu handeln ist die Pflicht der G-8-Staaten..."