~~ CHRISTLICH - SOZIALE POSITION ~~ ~~~ ~~~ INITIATIVE MENSCH & ARBEIT ~~~~~~~~~~~~~

"Die Reform der Finanzmärkte verlangt die Beteiligung der Gewerkschaften"



Ansprache von Bundespräsident Horst Köhler bei der Festveranstaltung "60 Jahre DGB" - 5. 10. 2009 in Berlin
 (Auszug - links mit DGB-Chef Sommer und Bundeskanzlerin Merkel)

"... Die ordnungspolitischen Vordenker unserer Sozialen Marktwirtschaft haben Recht behalten: Der Markt allein richtet nicht alles zum Guten. Wir brauchen wirtschaftspolitisch weltweit "einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessen" (Alexander Rüstow). Stark ist ein Staat, der dem Marktgeschehen klare und wirksame Regeln und Grenzen setzt... Läßt sich die Wirtschaft so gestalten, daß sie mehr verfolgt als bloße Einzelinteressen, daß die an ihr Beteiligten immer auch das Gemeinwohl und die Erfordernisse nachhaltigen Wirtschaftens im Blick halten? Antwort: Ja, und dafür sind vor allem drei Faktoren förderlich - soziale Teilhabe, ein koopertives Klima in den Arbeitsbeziehungen und eine Kultur der Mitbestimmung.

Soziale Teilhabe schaffen heißt: möglichst allen Menschen die Überzeugung geben "Ich werde gebraucht. Meine Stimme zählt." Arbeit haben, mitarbeiten dürfen, das ist eine der wichtigsten Formen sozialer Teilhabe. Schon deshalb muß "Arbeit für alle" ein vorrangiges politisches Ziel sein und bleiben. Für mich gehört zu diesem Ziel, daß wir noch stärker als bisher Anreize setzen, Sorgearbeit für Angehörige, Nachbarn und Freunde sowie Gemeinwohlarbeiten ins eigene - länger gewordenen - Leben zu integrieren...

Arbeit ist meist erst als Zusammenarbeit wirklich produktiv. Für solche Zusammenarbeit sind Mitspracherechte der Arbeitnehmer und ein kooperatives Klima zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eindeutig förderlich. Die Mitsprache der Arbeitnehmer hat in Deutschland eine lange Tradition... Die betriebliche Mitsprache der Arbeitnehmer und die Mitbestimmung sind also nicht eine wohltätige Einrichtung oder gar ein Hemmschuh für die Konkorrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Sie sind im Gegenteil - das hat zuletzt die von Gerhardt Schröder berufenene und von Kurt Biedenkopf geleitete Kommission überzeugend herausgearbeitet - ein Produktions- und Innovationsfaktor ersten Ranges und einer der großen Vorteile der hiesigen Wirtschaftskultur!... Insgesamt haben  situationsgerechte Tarifverträge und kluge Betriebsvereinbarungen maßgeblich zu Deutschlands Wirtschaftsstärke und sozialer Leistungsfähigkeit beigetragen...

Tatsächlich beobachten wir auf den internationalen Finanzmärkten schon wieder eine Déjà-vu mit Hütchenspielen im Shadow-Banking, mit intransparenten Deriviategeschäften und Spekulation auf den Rohstoffmärkten - und alles davon in Größenordnungen,die völlig unvorstellbar sind. Ja, ich sehe "das Monster" noch nicht auf dem Wege der Zähmung. Vor allem kann ich auch noch keine tiefer gehende Selbstreflexion der globalen Finanzakteure erkennen, daß heißt ihr Nachdenken über die Krise im eigenen Haus, über die Wertekrise im eigenen Denken und Handeln... Ich bin davon überzeugt: Eine grundlegende Reform der Weltfinanzordnung verlangt auch die Beteiligung der Gewerkschaften!...

Dabei geht es mir nicht darum, daß wir die alles umfassende Maßzahl für Fortschritt entwickeln. Denn die gibt es nicht. Es geht mir darum, daß wir anderen Entwicklungen in unseren Gesellschaften - "Jenseits von Angebot und Nachfrage" (Wilhelm Röpke) - mehr Aufmerksamkeit widmen: Wir müssen besser beschreiben und messen lernen, was eine gute Gesellschaft ausmacht, damit die Wähler Politiker und die Ergebnisse ihrer Politik genauer beurteilen können. Der Mensch ist nicht allein Konsument oder Produzent - so wichtig das auch ist. Er ist auch Bürgerin oder Bürger, Nachbar, Mutter, Vater oder Kind. Er hat Wünsche und Träume und er trägt Verantwortung - für seine Mitmenschen, die Schöpfung und auch für künftige Generationen. Haben wir das schon  ausreichend im Blick? Haben wir schon die richtigen Maßstäbe dafür?...