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Nachhaltigkeit


Prabhu Guptara

Mitbegründer des World Future Concil kritisiert teure Rettungsversuche und fordert Rückkehr zu protestantischen Werten

"... Wir müssen über komplett neue Regeln und Werte für unser wirtschaftliches Handeln nachdenken, und zwar auf internationaler Ebene. Wenn wir neue Regeln nur auf nationaler Ebene einführen, führt das mittelfristig zurück zum Protek-tionismus, zurück zu Schutzzöllen und Förderprogrammen zur Konservierung der nationalen Wirtschaft.

Welche neuen Regeln braucht die globalisierte Welt? Zum einen sollten wir inte- rnational festlegen, daß kein Unternehmen eine größere Bilanzsumme haben darf als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts seines Heimatlandes. Denn damit wäre kein Unternehmen mehr so groß, als daß man es in einer Krise teuer retten müßte. Auf dem Finanzmarkt sollten wir nicht versuchen, einzelne Derivativa zu regu- lieren oder bestimmte Termingeschäfte zu verbieten. Stattdessen sollte jeder, der solche Geschäfte abschließt, per Gesetz verpflichtet werden, diese offfenzulegen, zu kategorisieren und zu zentral zu registrieren. So wäre für alle Marktakteure deutlich, wie viel Risiko im Markt ist. Setzen wir diese Ideen um, wären wir vor der nächste Krise besser geschützt, als wir es heute sind.


Müssen wir angesichts der kathastrophalen Verluste aus der Krise darauf ein- stellen, in der Zukunft mit weniger Wohlstand auszukommen?

Die meisten Beobachter erkennen jetzt, daß der Wohlstand und die Wachstums- raten der letzten Jahre sowieso nur auf dem Papier existierten - sie waren nicht  real. Doch die Krise bedeutet zugleich auch die Chance, die Globalisierung neu auszurichten, hin zu mehr sozialer und ökologischer Verantwortung. Wenn wir nun gleichzeitig neue Handlungsmaximen für Ökologie und nachhaltige Wirtschafts- entwicklung, Armutsbekämpfung und Entwicklungspolitik definieren, könnten  wir einen neuen Fokus auf nachhaltiges Wachstum setzen , ohne unseren bisherigen Lebensstandard aufgeben zu müssen.

Das mag für den Westen gelten - gilt es auch für die Schwellen- und Entwicklungs- länder, für die die Krise viel gravierendere Folgen haben?

Sie gehen davon aus, daß uns global Ressourcen fehlen, daß Wohlstand knapp ist. Doch das stimmt nicht. Darfur und Simbabwe sind nicht arm, weil ihnen die Res- sourcen für Wohlstand fehlen. Sie sind arm, weil die Diebe und Mörder, die dort regieren, Bildung und Wohlstand für alle verhindern, weil sie ihre Macht um jeden Preis erhalten wollen. Das ist das Problem vieler Länder, in Nordkorea, in Birma, im Sudan. Neue globale Werte, durchgesetzt etwa durch eine internationale Straf- gerichtsbarkeit, führen hier eher zum Wandel als monetäre Hilfe.

Welche Werte finden globale Akzeptanz und führen aus der Krise?

Wir stecken zurzeit  in einer Krise der alten Werte. In Europa etwa galt bis zum 16. Jahrhundert das Recht des Stärkeren. Dann brachte die protestantische Re- formation ein neues Wertesystem. Erstmals konnten auch einfache Menschen durch Bildung erfolgreich sein. Natürlich wurde dies nicht jeder Protestant, aber mittelfristig profitierten alle von diesem Wandel. Recht und Gesetz ersetzen Will- kürherrschaft und Recht des Stärkeren. Die protestantische Idee setzte sich in ganz Nordeuropa durch , auf ihr basiert die erfolgreichste Zivilisation der Welt. In- zwischen bestimmen jedoch nicht mehr die protestantischenIdeale unser wirt- schaftliches Handeln, sonder blanker Egoismus und pures Gewinnstreben. Nun stehen wir an einer Wegegabelung: Weiter wie in den letzten 50 Jahren - oder zurück zu den protestantischen geprägten Werten? Anders als die Menschen da- mals wissen wir: Machen wir so weiter wie bisher, werden wir unsere Zivilisation schlußendlich durch ungelöste Konflikte und Umweltschäden zerstören.

Members of World Future Council

Wie kann Deutschland zu diesem Wandel beitragen?

Sicherlich muß auch Deutschland die Werte überdenken, auf denen die Markt-wirtschaft basiert. Denn jedes System, das dauerhaft Wachstumsraten von über zehn Prozent idealisiert und anstrebt, ist nach den Erfahrungen der Krise un- ethisch. In den letzten dreißig Jahren  wurde unser Wirtschaftssystem intrans-parenter, unsere Demokratien büßen Freiheiten ein. Diesen Prozeß gilt es zu stoppen. Deutschland muß sich nun entscheiden, ob sich in der internationalen Gemeinschaft für diesen Wertewandel einsetzen möchte. Meine Kritik an Deutsch- land ist, daß es bisher seiner Führungsrollte nicht gerecht wird, noch nicht ethisch und nachhaltig handelt, auch wenn es sich auf der internationalen Bühne für einige dieser Ideale einsetzt.

(aus einem Interview mit dem Rheinischen Merkur, 12, 2009, Fragen: Benedikt Fuest)