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Elmar Nass

Gerechtigkeit in der Sozialen Marktwirtschaft

in: Kirche und Gesellschaft, Nr. 237, herausgegeben on der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach: "Soziale Gerechtigkeit" 

Dr. Dr. Elmar Nass - CDU-Grundsatzdiskussion im Arbeitnehmerzentrum Königswinter 2007 (Foto: M. Gerhardt)


"Die ordungspolitische Konseption der Sozialen Marktwirtschaft beruht in wesent-lichen Stücken auf einer christlich-naturrechtlich begründeten Idee sozialer Ge- rechtigkeit. Ausdrücklich weist Alfred Müller-Armack, der Architekt der sozialen Marktwirtschaft, darauf hin, daß das gesellschaftspolitische Ziel einer sozial ge- rechten Ordnung die Entfaltung der natürlichen, gottgebenen menschlichen Be- stimmung ist. Grundlegend ist die Einsicht, daß der Mensch seine Fähigkeiten nur entfalten kann, wenn dies in einem sozialen Zusammenhang geschieht. Für Ludwig Erhard sind die Begriffe "frei" und "sozial" engstens korreliert, weil für ihn eine freiere Wirtschaft stets dies sozialere ist. Damit es zu einer gemeinsamen An- strengung in den Wirtschaftssektoren kommt, bedarf es der Sicherung der Funk- tionsbedingungen des Marktes. Der Staat ist zuständig für die Rahmenbedingungen von Wirtschaft und Gesellschaft. Zulässig sind nur Eingriffe, die die Regeln des Wettbewerbs nicht aufheben. Das Modell progressiver Einkommenssteuer etwa entspricht Erhard zufolge einem solchen Prinzip...

Ein sozialethischer Entwurf zur Symbiose aus ökonomischer Effizienz und sozialer Gerechtigkeit, Walter-Eucken-Institut, Nr. 51, Tübingen, 2006: Der sozial gerechte und zugleich ökonomisch effiziente Sozialstaat scheint unereichbar. Den vermeintlichen Gegensatz dieser beiden Legitimationskriterien überwindet Elmar Nass mit Rückgriff auf die Grundideen der Sozialen Marktwirtschaft und mittels des Konzepts der Befähigungsgerechtigkeit. Er macht so in einer aristotelischen Auslegung mit dem Ordo-Gedanken der Freiburger Schule ernst.

Die Sozialpolitik im speziellen Sinn geht über Ordnungspolitik hinaus. Sie zielt auf den sozialen Ausgleich und auf die Gewährleistung eines soziokulturellen Exis- tenzminumus für die Notleidenden nicht bloß aus Gründen des sozialen Friedens, sondern als Selbstzweck. Die Individuen sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, die ihnen mögliche Leistung zu erbringen. Denn soziale Gerechtigkeit fordert die Befähigung zu all dem, "was den Menschen zum Menschen macht, von der Biologie seiner Leiblichkeit bis zum Seelischen, Geistigen, Ethischen, Religiösen." (A. Rüstow) Über die Sicherung sozialen Friedens hinausgehende Eingriffe in das Verfügungsrecht sind damit legitimierbar. Ein Wohlfahrtsstaat als Versorgungsstaat wird aber dem Subsidiariätsprinzip entsprechend abgelehnt, da er eine Anspruchsmentalität fördert, die dem Leistungsprinzip (und damit der natürlichen menschlichen Bestimmung9 widerspricht. Ein solcher Staat tötet die Eigenverantwortlichkeit ab und versklavt den Menschen.

Den Prinzipien der Marktkonformität, der Subsidiarität, der Eigen- und Sozialverantwortlichkeit entsprechend hat der Staat seine Bürger aus einer Versorgungsmentalität herauszuführen. Soziale Gerechtigkeit als Gemein- wohlprinzip fordert die Loyalität zu den Eingriffen in individuelle Verfü gungs- rechte ein, die nötig sind,um jedem die persönliche Entfaltung von Individual- und Sozialnatur zu ermöglichen. Denn es bestehen objektive,verteilungsrelevante soziale Ansprüche auf die Entfaltung der individuellen Eigenverantwortlichkeit einerseits, auf die Existenzsicherung derjenigen, die zu eigenverantwortlichem Handeln nicht fähig sind, andererseits. Die für den sozialen Frieden notwendige Tugend des Sozialstaatsbürgers setzt dazu die Einübung von Eigen- und Sozial- verantwortung voraus, vermeidet Trittbrettfahrerverhalten und schafft dem Sozialstaat ein moralisches Fundament."

Dr. Dr. Elmar Nass, Vikar des Aachener Domes, Vorlesungscurriculum seit SS 2008 an Universität Bonn "Christliche Gesellschaftslehre".