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Joseph S. Nye Jr.: Soft Power

*1937 in South Orange, New Jersey

Director of Institut for East-West Security Studies, Director of International Institute für Strategic Studies ~  Kennedy School of Government, Havard

 


 Foto: Joseph Nye mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in Harvard.

Amerika bleibt Supermacht. Aber ihre Probleme wird die Welt nur gemeinsam lösen können (ZEIT, 3, 2009, Ausschnitt)

"... Sagen wir es so: Die Ausübung der amerikanischen Macht hängt immer von ihrem Kontext ab. In der heutigen Welt ist sie nach einem Muster verteilt, das einem dreidimensionalen Schachspiel gleicht. Auf dem obersten Schachbrett befindet sich die militärische Macht Amerikas; sie ist im Wesentlichen unipolar und dürfte es noch lange Zeit bleiben. Auf dem mittleren Schachbrett aber ist die wirtschaftliche Macht shon seit mehr als einem Jahrzehnt mulitpolar, wobei die USA, Europa, Japan und China die wichtigsten Spieler sind. Das untere Schachbrett ist der Bereich der transnationalen Beziehungen, die sich staatlicher Kontrolle entziehen. Hier befinden sich ganz unterschiedliche Akteure - zum Beispiel Spekulanten, die Geldsummen transferieren, deren Höhe die meisten Staatshaushalte weit übersteigt. Oder Terroristen, die Waffen weitergeben. Auch neue Bedrohungen wie Pandemien und der Klimawandel sind auf dieser unteren Ebene angesiedelt. Kurzum, die Macht ist auf viele Mitspieler verteilt, und von Unipolarität, Mulitpolarität oder Hegemonie zu sprechen wäre sinnlos. Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um vorherzusehen, daß das Tempo des technologischen Wandelns - und zwar trotz der Finanzkrise! - die Globalisierung weiter vorantreiben wird. Damit einher geht die "Rückkehr Asiens". Rückkehr deshalb, weil im Jahr 1750 drei Fünftel der Weltbevölkerung und der Weltproduktion auf Asien entfielen. 1900, nach der industriellen Revolution in Europa und Amerika, schrumpfte Asiens Anteil auf ein Fünftel des Weltprodukts. 2040 dürfte Asien wieder nahe an seinen historischen Anteil herangekommen sein. Gewiß, der Machtzuwachs Chinas und Indiens mag Instabilitäten verursachen, aber wir können aus der Geschichte lernen und mithilfe kluger Politik die Folgen beeinflussen. Hat nicht auch Großbritannien Amerikas Aufstieg zur Großmacht ohne Konflikt bewältigt?

Die digitale Revolution hat die Kommunikationskosten dramatisch verringert. Natürlich war auch schon vor vierzig Jahren eine globale Kommunikation möglich, sie war jedoch teuer und nur für Regierungen und Unternehmen verfügbar. Heute steht sie praktisch jedem offen, man muß sich nur in ein Internetcafé setzen. Die Hürden für eine Beteiligung an der Weltpolitik sind also niedriger geworden, und deshalb wimmelt es auf der Bühne vor nichtstaatlichen Akteuren, im Guten wie im Schlechten. Beim Anschlag auf das World Trade Center tötete eine nichtstaatliche Gruppe mehr Amerikaner als die japanische Regierung in Pearl Harbor. Eine durch Vögel oder Flugreisende verbreitete Pandemie könnte mehr Menschen das Leben kosten, als in den Weltkriegen umkamen.

Joseph Nye, Kishwer Falkner, Juliette Kayyen, Tad Oelstrom, Samantha Power

Mit dieser neuen "Weltpolitik" haben wir kaum Erfahrung, und so könnten sich Probleme der Machtverlagerung weg von den Staaten als schwerwiegender erweisen als Machtverschiebungen zwischen den Staaten. Anders gesagt: Die Herausforderung für die amerikanische Macht im 21. Jahrhundert besteht nicht darin, daß immer mehr Faktoren nicht mehr ihrer Kontrolle unterliegen. Unter dem Einfluß der Globalisierung nimmt die Weltpolitik eine neue Gestalt an, und so kommt auch die mächtigste Macht an ihre Grenzen. Deshalb werden die Amerikaner nicht mehr all ihre Ziele im Alleingang erreichen können. Um ein Beispiel zu nennen: Die internationale Finanzstabilität ist für den amerikanischen Wohlstand lebensnotwendig, aber ohne die Kooperation mit anderen Staaten können die USA sie nicht gewährleisten. Der Klimawandel wird die Lebensqualität ebenfalls beeinflussen, und auch dieses Problem werden die USA auf keinen Fall allein in den Griff bekommen.  Um es abzukürzen: In einer Welt, in der die Grenzen durchlässiger sind als je zuvor, muß Amerika internationale Koalitionen schmieden und Institutionen aufbauen, damit globale Bedrohungen gemeinsam gemeistert werden können.

Da die Vereinigten Staaten immer noch das stärkste Land sind, wird ihre Führung für die Welt entscheidend bleiben. Wenn die USA keine führende Rolle bei der Versorgung der globalen öffentlichen Gütern übernehmen, wird es schwächeren Ländern erst recht schwerfallen, dies zu tun. In meinem Buch The Powers of Lead (Oxford University Press) argumentiere ich, daß kontextuelle Intelligenz zu den unverzichtbaren Eigenschaften eines Präsidenten gehören muß. Im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger George W. Bush verfügt Barack Obama auf beeindruckende Weise über eine solche kontextuelle Intelligenz. Er wird sie brauchen, um zu verstehen, daß die Herausforderung der USA nicht in ihrem potenziellen Niedergang besteht, sondern in der Erkenntnis, daß selbst das stärkste Land der Welt seine Ziele ohne die Hilfe anderer nicht wird erreichen können.