~~ CHRISTLICH - SOZIALE POSITION ~~ ~~~ ~~~ INITIATIVE MENSCH & ARBEIT ~~~~~~~~~~~~~


Franz von Baader

(27. März 1765 München - 23. Mai 1841 München)



"Wir sollen einander königlich und nicht sklavisch behandeln und keiner über den andern zu herrschen begehren, sondern vorzüglich durch Liebe, wie Gott, in andere zu wirken suchen."

Über das dermalige Mißverhältnis der Vermögenlosen oder Pro- letairs zu den Vermögen besitzenden Klassen der Sozietät in be- treff ihres Auskommens sowohl in materieller als intellektueller Hinsicht aus dem Standpunkte des Rechts betrachtet (1835)

(Auszüge)"... In der Tat, wer als Augenzeuge nur einen Blick in den Abgrund des phy- sischen und moralischen Elends und der Verwahrlosigkeit geworfen hat, welchen der größere Teil des Proletairs in England und Frankreich preisgegeben ist (in welchen beiden Ländern jenes oben berührte Mißverhältnis mit der Entwicklung des industri- ellen Systems durch bloße Geldlöhnungen sich am fühlbarsten machen mußte), der wird trotz aller meist im Interesse de Argyrokratie (dse moneyed interest), minder in jenem der Aristokratie (des landed interest) gemachten öffentlichen Versicherungen des Gegenteils gestehen müssen, daß die Hörigkeit, selbst in der härtesten Gestalt (der Leibeigenschaft, mit welcher die Geisteigenschaft gleichen Schritt hielt, wie denn keine ohne die andere bestehen kann), doch noch minder grausam und unmenschlich, folglich unchristlich war (denn Christentum ist Menschtum), als diese Vogelfreiheit, Schutz- und Hilflosigkeit des bei weitem größten Teils unserer, wie man sagt, gebildesten und kultiviertesten Nationen.*

                                    
      

(* Adam Smith und seine Nachsager konnten uns zwar nicht genug Vorteile der größeren Prodiktivität durch ihre fabrikmäßige Verteilung etc. anrühmen, nur bemerken sie nicht, daß in demselben Verhältnis als die Arbeiter mehr und ihre Produktivität größer geworden, ihr Verdienst im Ganzen immer geringer ward, das Prekäre ihrer Existenz immer zunahm und der eigentliche Gewinn und Genuß der gesteigerten Produktion sich immer unter wenigere Individuen verteilte und häufte...)




Freiberg in Sachsen, wo Baader von an der Bergakade mie (1788 - 1792) u. a. bei  Abraham Gottlieb Werner (unten) Mineralogie studierte. Mitschüler Alexander von Humboldt lobte seine Toleranz gegen Andersglaubende.





"... Ein solcher Beobachter, sage ich, wird gestehen müssen, daß im sogenannten christlichen und aufgeklärten Europa größtenteils noch die Zivilisation der Wenigen nur durch die Unzivilisation, ja Brutalität der Vielen besteht, und daß man dem alten unmenschlichen Sklaven- und Helotentum bereits ungleich merh sich wieder genähert hat, als dieses z. B. der Fall im Mittelalter war, dessen Barbarei übrigens kein Geschichtskundiger deswegen in Schutz nehmen wird.




Baader studierte bei seinem vierjährigen Aufenthalt ab 1792  in England auch in Edinburgh (Bild ca. 1840), wo er Adam Smith kennenlernte. Besuchte mit seinem Bruder Joseph ausgiebig englische und schottische Bergwerke.



Man sieht aber das Recht der Proletairs auf Erleichterung ihres Lebens, welches wir hier verteidigen, um so klarer ein, wenn man erwägt, daß, nachdem die ehemalige Kammerwirtschaft ganz nur Finanz- oder Geldwirtschaft geworden ist, und durch eine schier allgemein gestattete, ja begünstigte Vorkauferei (accaparement) der Münze oder des Geldes die Geldnot oder die Geldteuerung immer steigern mußten, der größere Teil der im gleichen Verhältnis zunehmenden Regierungsabgaben auf den Proletair fällt, welcher, einer Reaktion (d. h. einer Steigerung seiner Arbeit) unfähig, nicht wie früher wenigstens zum Teil durch Naturalgenüsse und Naturallöhnungen sich dieser Geldteuerung entziehen kann, obschon seine Lebensbedürfnisse durch den Fortschritt der Sozietät ungleich größer geworden sind...

                    

Schelling-Schüler  Baader, von August Wilhelm Schlegel wegen seines intensiven Jakob- Böhme- Studiums "Boehmius redivivus" genannt, verkehrte in München  (seit 1826 dort Universitätsprofessor) im Romantikerkreis um Joseph Görres  (links), hatte Kontakt zu russischen Philosophen oder auch zu Lammennais (rechts) und bezog das von Monta-lembert herausgegebene Journal "Avenir" (Mitte: Werke Montalemberts). Er wirkte zu- rück auf Schelling und weiter auf  Mieckiewicz,  Kierkekaard, Solojow, Berdajew (unten rechts) und andere. Bedeutsam für Dostojewskij (unten, Mitte, Max Beckmann) wurde sein Nihilismusbegriff:  "der für die Religion destruktive Mißbrauch der Intelligenz, der das doppelte Resultat zeitigt:  Leugnung der Existenz Gottes und Steigerung der Unbe- dingheit des Menschen ins Maßlose und Selbst- zerstörerische."   (Über die Freiheit, 1826)

                                                                                                                                                             

Die Freiheit des sozialen Lebens ist so wie die des organischen Lebens überhaupt nur durch Gliederung (subordinierende und koordinierende Korporation) bedun- gen; F. Schlegel (u., Bruder Joseph r.) bemerkt zu Recht, daß das sozial bildende


                                         
                                                                                                      
organisierende Prinzip kein anderes als das christliche, als das Innungsprinzip par excellence, ist, welches z. B. zuerst das Familien- und Kastenverhältnis von ihren despotischen Formen befreite, und beide zu freien Innungen oder Korporationen erhob  und vermenschlichte, weswegen denn auch der Angriff auf das Christentum mit jenem auf die Standschaften und Koroporationen gleichen Schritt hält, und der moderne Liberalismus sich in seiner Indifferenz gegen das Christentum als Sozietäts-Prinzip (welcher Indiferenz, wo sie nicht Unverstand ist eine nur verhaltene Christophobie zum Grunde liegt) wahrhaft antiliberal, d. h. zum alten Despotismus und Servilismus zurückführend sich erweist.



Baader machte sich wegen seiner guten Kontakte nach Rußland bis zu seiner seiner Reise nach St. Petersburg (1822) zum Teil  berechtigte Hoffnungen, es bestünden Chancen unter der Regentschaft  Alexander I. (Friedrich Wilhelm III., Franz I., Alexander I., von links) eine christlich initierte Sozialreform in Gang zu bringen.  



Wie oft habe ich z. B. den meetings und asociations der Fabrikherrn in England beigewohnt, welche alle mit Festsetzung eines Maximums für die Arbeitslöhne und eines Minimums für die Verkaufspreise endeten, somit um nichts besser als Konspirationen in bezug auf die Proletairs waren, deren Lohn sie nämlich beständig tief unter dem natürlichen Wert und Preis ihrer Ware (nämlich ihrer Arbeit) hielten. Welchem offenbaren Unrecht am allerwenigsten in den Kammern und Parlamenten Abhilfe geschehen kann, da gerade hier die Fabrikherren Partei und Richter in einer Person sind, und die Präsentation des Interesses des armen Arbeitervolkes in diesen Kammern verpönt ist. Da nun die Freiheit der Konkurrenz (hier zwischen Arbeitern und ihren Lohnherren), wie man sagt, kein Monopol verträgt, effektiv aber von letzteren gegen erstere das drückenste Monopol ausgeübt wird, so frage ich, ob ein solches Mißverhältnis und ein solcher Druck den Namen einer frei sich bewegenden Industrie verdient? Ich frage, ob man es diesen Proletairs verargen kann, wenn auch sie ihrerseits sich gegen ihre Lohnherren zu gleichem Zwecke zu assozieren bestrebt sind?


"So wie das Christentum... wo es frei wirken kann, als das Prinzip der bürgerlichen Freiheit oder der wechselseitigen Befreiung der Menschen voneinander sich er- weist, indem es die Gewalt der Menschen über den Menschen zwar zuläßt, nicht aber, daß ein Mensch in die Gewalt eines anderen als sein Besitz gelange, so hat daselbe Christentum auch die Lehre und den Begriff des Erwerbes, Besitzes und Genusses völlig umgestaltet, indem es den heidnischen Begriff des Erwerbs eines absoluten Eigentums völlig zerstörte und, und ohne zwar den gesonderten Erwerb und Besitz desselben zu verwehren, doch jede Verwendung sowie jeden Genuß des- selben verwehrte, der nicht sozial, somit antisozial ist, denn wer nicht für die Sozi- etät lebt, der lebt gegen sie, und jeder Seperatist ist ein Narr in der Theorie und  ein Verbrecher in der Praxis." (aus:  "Evolutionismus  und Revolutionismus", 1834)