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Lissabon-Vertrag:

Die Parlamente werden massiv gestärtkt, und die Mitgliedstaaten bleiben Herren der Verträge



Elmar Brok, MdEP, Vorsitzender der EU-CDA (Foto: mit Javier Solana), Rheinischer Merkur, 6, 2009 (Auszug)

"Sowohl inhaltlich als auch von der Entstehung her ist der Vertrag von Lissabon "der Vertrag der Parlamente". Seine Substanz wurde im Verfassungskonvent durchgesetzt, in dem die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament (EP) die Mehrheit hatten. Diese Allianz der Parlamentarier hat gegen den Wi- derstand der Regierungsvertreter das demokratische Defizit weitgehend beseitigt. Der neue Vertrag erfüllt die Maßgabe des Maastricht-Urteils des Bundesverfas- sungsgerichtes von 1993, daß die fortschreitende europäische Intergration durch eine lebendige Demokratie auf europäischer und nationaler Ebene begleitet sein muß. Das EP hat in Zukunft das volle Haushaltsrecht und das Zustimmungsrecht bei wichtigen Drittlandsverträgen. Außerdem wählt es den Kommissionspräsiden- ten, den der Europäische Rat nur im Lichte des Ergebnisses der Europawahl und nach Konsultationen der Fraktionen des Europäischen Parlamentes vorschlagen darf. Der Bürger entscheidet damit - wie bei der Bundestagswahl - über den Chef der Exekutive mit.

Kofi Annan mit Elmar Brok

Gewinner des Vertrages sind auch die nationalen Parlamente, die weiterhin - jedes für sich - eine Veto bei Vertragsveränderungen, in Zukunft auch im ver- einfachten Verfahren, bei der Finanzordnung und bei der Aufnahme neuer Mit- gliedstaaten haben. Durch das Verfahren der gelben und orangen Karte können sie Widerspruch gegen Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips erheben und dür- fen vor dem EUGH klagen. Auch können sie Maßnahmen in Zivilsachen (Fami- lienrecht) stoppen. sie beteiligt an der Kontrolle von Europol und Eurojust zusam- men mit dem EP und an Übereinkommen über Vertragsveränderungen. Mit dem Ausbau der Informationsrechte und der Neufassung von Artikel 23 des Grund- gesetzes wird vor allem das Kontrollrecht von Bundestag und Bundesrat gegen- über der Bundesregierung als Mitglied des Rates entscheidend erhöht. Da der Bundestag und die Bundesländer durch ihre Büros in Brüssel jetzt auch eigene Informationsbeschaffung betreiben, wird es für die Bundesregierung fast unmög- lich, am Willer der beiden Kammern vorbei in Brüssel Politik zu machen. Vier Verfassungsorgane - Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Bundesprä- sident - haben nach intensiver Prüfung den Vertrag von Lissabon für verfas- sungskonform erklärt. Nicht alles ist an dem Vertrag, der einen Kompromiß zwischen 27 Staaten darstellt, perfekt. Es ist aber in jedem Fall ein Fortschritt an Demokratie. Handlungsfähigkeit und Transparenz im Vergleich zu Nizza...

Nancy Pelosi (US-Repärsentantenhaus) mit Elmar Brok

Die Annahme, Einstimmigkeit im Rat stärke nationale Parlamente und nationale Souveränität, ist falsch. Einigen sich die Regierungen etwa in der bisherigen Rechts- und Innenpolitik auf einen EU-Rechtsakt, wird das Resultat den Parla- menten nach der Devise "Friß, Vogel, oder stirb" vorgelegt. Sie können kein Kom- ma ändern und werden stets unter Druck stehen, die eigene Regierung nicht im Regen stehen zu lassen. Der  EU-Haftbefehl war ein Beispiel dafür. Das EP hat da- bei bisher nur ein Anhörungsrecht. Mit anderen Worten: Auch hier wird der par- lamentarische Gestalungsbereich erhöht...  Es kommt darauf an, wie den Inte- ressen unseres Landes, insbesondere zur Sicherung von Frieden und Freiheit, am besten gedient wird. Dafür gibt es politischen Gestaltungsraum. Nicht zu übersehen ist, daß in unserer globalen Ordnung der Nationalstaat die Interessen seiner Bürger in der Welt nicht mehr allein durchzusetzen vermag. Der gemeinschaftliche Weg auf der Grundlage einer Rechtsordung - die nur bei Anerkennung eines gemein- samen höchsten Gerichts, des Europäischen Gerichtshofes, Bestand haben kann - hat sich im Laufe der Geschichte als überlegenen Methode gegenüber der fall- weisen Zusammenarbeit der Nationalstaaten erwiesen. Klimawandel, Energie- sicherheit, Migration, äußere Sicherheit, Terrorismus, organisierte Kriminaliät - das alles sind Beispiele dafür...


Sitzung der AFET (Committee on Foreign Affairs) unter Vorsitz von Elma Brok, Brüssel

Der Vertrag von Lissabon stärkt, wo es  nötig ist, auch das Subsidiari- tätsprinzip und die Stellung des Nationalstaates, seine Identität und seine souveräne Gestaltung des Staatsaufbaus einschließlich der Regi- onen und der Kommunen."