~~ CHRISTLICH - SOZIALE POSITION ~~ ~~~ ~~~ INITIATIVE MENSCH & ARBEIT ~~~~~~~~~~~~~

VII. Eigentum

"... Neben der Berufung, zuerst das Reich Gottes und Seine Gerechtigkeit (Mt 6.33) zu suchen, vergißt die Kirche nicht das Bedürfnis nach dem täglichen Brot (Mt 6.11) und ist der Ansicht, daß jeder Mensch ausreichende Mittel für eine eine wür- dige Existenz haben muß. Zugleich warnt die Kirche vor übermäßiger Neigung zu materiellen Gütern und verurteilt diejenigen, die der Versuchung, bestehend aus "den Sorgen, dem Reichtum und den Genüssen des Lebens" unterliegen (Lk 8.14). Die Position der Orthodoxen Kirche zum Eigentum beinhaltet weder eine Gering- achtung der materiellen Bedürfnisse, noch dessen Gegenteil, nämlich ein Lob des Erwerbs materieller Güter als das höchste Ziel und Gut menschlichen Daseins. Die Vermögensverhältnisse eines Menschen an sich geben keinen Aufschluß darüber, inwieweit der Betreffende gottgefällig lebt...

Das Verhältnis des orthodoxen Christen zum Eigentum soll sich auf dem biblischen Gebot der Nächstenliebe gründen, welches in den Worten des Heilands Ausdruck findet: "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch liebe, so sollt auch ihr einander lieben!" (Joh 13.34). Nach der Lehre der Kirche erhalten die Menschen alle irdischen Güter von Gott. Dem auch das ausschließliche Verfü- gungsrecht über diese zusteht. Die Vergänglichkeit des Eigentumsrechts des Men- schen stellt der Erlöser in Seinen Gleichnissen mehrfach heraus: Beispiele dafür sind sowohl de verpachtete Weinberg (Mk 12.1-9) als auch die unter Menschen verteilten Talente (Mt 25.14-30), ebenfalls das unter vorübergehender Verwaltung stehende Gut (Lk 16.1-13). Indem er den der Kirche eigenen Gedanken über das unbedingte Besitzrecht Gottes über alles betont, fragt der hl. Hierarch Basilius der Große: "Sag mir, was gehört ausschließlich dir? Woher hast du es genommen und ins Leben gebracht?"  Das sündhafte Verhältnis zum Eigentum, welches sich im Vergessen oder in der bewußten Abkehr von diesem geistigen Prinzip äußert, hat die Trennun und gegenseitige Entfremdung unter den Menschen zur Folge.


Von links: Hl. Daria, hl. Conon der Gärtner, hl. Basilus der Große, hl. Maria von Ägypten, hl. Synkletike (russische Ikone, 19. Jahrhundert)

Materielle Güter können den Menschen nicht glücklich machen. Der Herr Christus warnt: " Gegt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, daß ein Mensch aufgrund seines Vermögens im Überfluß lebt" (Lk 12.15). Die Jagd nach dem Reichtum hat zerstörerische Auswirkungen auf den seelischen Zustand des Menschen und führt potentiell zur völligen Herabwürdigung der Person...

Nach der Meinung des hl. Hierarchen B asilius des Großen ist derjenige ein Dieb zu nennen, der nicht einen Teil seines Eigentums zugunsten seines Nächsten opfert. Diesen Gedanken hebt der hl. Johannes Chysostomos hervor: "Die Kirche ruft den Christen auf, das Eigentum als Gabe Gottes anzunehmen, die ihm zum Nutzen für das eigene sowie des Nächsten Wohl gegeben worden ist.


Von links: hl. Gregor von Nazianz, hl. Johannes Chrysostomos, hl. Basilus der Große (byzantinische Ikone des 14. Jahrhunderts)

Zugleich erkennt die Schrift das Recht eines jeden Menschen auf Eigentum an, so wie sie auch Eingriffe in dieses verurteilt. Zwei der zehn Gebote thematisieren das ausdrücklich: "Du sollst nicht steheln. (Ex 20.15,17). Dieses Verhältnis zum Eigen- tum hat auch im Neuen Testament seine Gültikeit bewahrt und gleichzeitig eine tiefgreifende moralische Begründung erfahren. Hierzu sagt das Evangelium: " Denn die Gebote (...) du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren  und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie die selbst" (Röm 13.9)...

In zunehmender Bedeutung begriffen ist das intellektuelle Eigentum, dessen Objekte wissenschaftliche Arbeiten und Leistungen, Informationstechnologien, Kunstwerke sowie weitere Errungenschaften des schöpferischen Geistes sind. Die Kirche begrüßt das schöpferische Wirken, welches auf das Wohl der Gesellschaft gerichtet ist, und verurteilt die Mißachtung der Urheberrechte auf das intellek- tuelle Eigentum. Gewaltsamer Entzug sowie Neuverteilung des Eigentums unter Nichtbeachtung der Rechte des legitimen Eigentümers können unter keinen Umständen die Zustimmung der Kirche finden...

Das freiwillige Geben ist eines der Hauptgebote, die dem Menschen von Gott auf- erlegt sind (Sir 7.30-34). Vor diesem Hintergrund sind die Spenden als ein Sonder- fall der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse anzusehen, insofern als sie von denjenigen Gesetzen ausgenommen werden sollen, die die Finanzen und die Wirt- schaft des Landes und im besonderen die staatliche Besteuerung regeln. Nach An- sicht der Kirche darf ein Einkommen besteuert werden, wenn es aus unternehme- rischer Quelle stammt, jedoch stellen jedliche Eingriffe in die Spenden der Gläu- bigen ein Verbrechen vor den Menschen und vor Gott dar.